- Dieser Beitrag enthält weiterführende Links. Hier erfährst du mehr dazu.
- Dieser Artikel ist kein Ersatz für eine professionelle, tierärztliche Konsultation.
Wenn wir gähnen, ist meist offensichtlich, warum wir das tun. Wir sind entweder müde, gelangweilt oder haben gerade einer anderen Person beim Gähnen zugesehen. Sind Hunde ebenso empathisch? Bei unseren vierbeinigen Freunden kann Gähnen verschiedene Bedeutungen haben. Und im Gegensatz zum Menschen ist das Gähnen beim Hunden vielfältiger. Die drei häufigsten Gründe für das Gähnen beim Hund sind die Regulierung des Stresspegels, Vertrauen oder Nachahmung unseres Verhaltens – aber auch Müdigkeit und Langeweile, wie bei uns Tiereltern. Um den genauen Grund ermitteln zu können, musst du genau auf das Verhalten des Tiers achten und alle Kontexthinweise analysieren.
„Es gibt einige gute Gründe, warum der Hund gähnt“, so Dr. Shannon Barrett, Tierärztin für Hausbesuche in South Carolina und Eigentümerin von „Downward Paws“. „Ein Grund könnte sein, dass sie zufrieden und entspannt sind – ähnlich wie wir Menschen oft gähnen, wenn wir uns ruhig und entspannt fühlen.“
Gähnen kann allerdings auch ein Zeichen von Unzufriedenheit, Angst oder Langeweile sein. „Es ist wichtig, zwischen normalem und abnormalem Gähnen zu unterscheiden“, erklärt Dr. Barrett. Abnormales Gähnen könnte auf Stress und Angst hinweisen.
Dr. Barrett verrät mögliche Gründe für das Gähnen bei Hunden und erklärt, welche Maßnahmen du ergreifen solltest, wenn der Hund aus Stressgründen gähnt.
Der Hund ist gestresst oder hat Angst
„Stressgähnen wird in der Regel von Verhaltensweisen wie Zittern, Keuchen, nervöses Umherlaufen oder Verstecken begleitet“, sagt Dr. Barrett. „Wenn sich dein Hund in der letzten Zeit in einer ungewohnten Umgebung aufgehalten hat, wie etwa in einer Tierklinik, ist er vielleicht ängstlich und entwickelt Symptome wie übermäßiges Gähnen.“
Laut Dr. Barrett gibt es einige weitere Anzeichen für Stress, auf die du achten solltest:
- Nach hinten gerichtete Ohren
- Übertriebenes Gähnen mit weitem Mund und herausgestreckter Zunge
- Nervöses Umherlaufen
- Zittern
- Sabbern
- Schweres Keuchen
- Folgen dir enger an deiner Seite als gewöhnlich
- Änderungen der Haltung (z. B. eingezogener Schwanz)
- Ausweichverhalten (wenden sich z. B. von dir oder ihrem Spielzeug ab)
- Schnelles Augenblinzeln oder Lippenlecken
- Übermäßiges Gähnen ohne Pausen
„Dies könnte auch ein Zeichen für ein hohes Angst- oder Stresslevel sein“, führt Dr. Barrett aus. Dabei merkt sie an, dass das Gähnen bei Hunden als Mittel zum Abbau von Stress dienen kann.
„Wenn sich dein Hund aus einem beliebigen Grund bedroht oder unwohl fühlt, gähnt er“, so Dr. Barrett. Es ist wichtig zu beobachten, ob dein Hund dieses Verhalten als Reaktion auf physische Reize (wie ein lautes Geräusch) oder aus emotionalen Gründen zeigt. Wenn du die Ursache für den Stress des Tiers ermitteln kannst, bist du in der Lage, entsprechend auf seine Bedürfnisse einzugehen.
Dein Hund empfindet Freude, Liebe oder Empathie
Laut einer Studie aus 2008 und Dr. Barrett ist es möglich, dass Hunde gähnen, wenn sie Menschen beim Gähnen sehen (das Verhalten also „spiegeln“). Wenn dein Hund mit oder nach dir gähnt, kann dies ein Zeichen für Vertrauen, Bindung oder Einfühlungsvermögen sein.
Laut Dr. Barrett sei es in der Regel ein gutes Zeichen, wenn der Hund gähnt, wenn er sich ausruht, spielt, gekuschelt oder gestreichelt wird. „Ein glückliches und gesundes Gähnen ist üblicherweise langsam, wobei sich das Maul weit öffnet und der Kiefer leicht nach unten fällt“, erläutert sie. „Diese Art des Gähnens hat normalerweise keine Begleitgeräusche wie Knurren oder Winseln. Die Augen können sich auch kurz schließen, sollten aber nicht über einen längeren Zeitraum geschlossen bleiben.“
Glückliches Gähnen hat aber nicht nur mit Entspannung zu tun, sondern kann auch mit anderen Arten von Glücksgefühlen in Verbindung gebracht werden. „Gähnen kann auch Aufregung oder Vorfreude auf angenehme Ereignisse darstellen, wie etwa Gassi gehen oder Apportieren“, so Dr. Barrett.
Im Folgenden verraten wir dir einige klare Anzeichen für einen glücklichen Hund, die begleitend zum Gähnen auftreten können.
- Hinlegen, wobei alle vier Pfoten unter den Körper gelegt werden
- Rollen auf den Rücken bei freigelegtem Bauch
- Ohren in einer entspannten, natürlichen Position
- Wedeln mit dem Schwanz
- Spielerische Geste „Verbeugen“
Obwohl wir nicht beweisen können, dass es sich bei den oben genannten Verhaltensweisen um Anzeichen dafür handelt, dass uns unsere Hunde wertschätzen, können wir mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass ein entspannter Hund, der in unserem Schoß liegt und gähnt, uns damit seine Zuneigung ausdrücken möchte.
Dein Hund ist gelangweilt oder frustriert
Hast du deinen Hund schon einmal während einer Trainingseinheit gähnen sehen? Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass er gelangweilt oder frustriert ist. Um zwischen Langeweile und Frustration unterscheiden zu können, achte auf die Reaktionen deines Hundes. Wenn der Hund die Signale nicht sofort versteht oder das Training von selbst abbricht, kann Gähnen ein Zeichen dafür sein, dass er etwas mehr Unterstützung benötigt. Verringere in diesem Fall den Schwierigkeitsgrad oder gestalte den Trick so um, dass er leichter auszuführen ist. Ist er jetzt konzentrierter?
Wenn er die Tricks jedoch mit Leichtigkeit ausführt und sich offensichtlich nur etwas aufspielt, könnte das bedeuten, dass er sich langweilt.
„Wenn dein Hund gelangweilt ist, kann sich das auf verschiedene Weise äußern“, so Dr. Barrett. Achte auf die folgenden Verhaltensweisen:
- Exzessives Bellen und Winseln
- Übermäßiges Graben
- Kauen an Möbeln oder Schuhen
- Nervöses Umherlaufen
Dies könnten laut Dr. Barrett Anzeichen dafür sein, dass dein Hund mehr Stimulation benötigt, wie längere Spaziergänge, mehr Zeit mit dem Hund oder neues Spielzeug.
Der Hund ist müde oder übermüdet
„Müdigkeit oder Erschöpfung bedeutet, dass sie nicht ausreichend Schlaf bekommen oder die Schlafqualität vermindert ist“, so Dr. Barrett. Neben dem Gähnen sind weitere körperliche Zeichen für Erschöpfung:
- Schweres Hecheln
- Herabhängende Ohren und abgesunkene Augen
- Verringertes Energielevel
- Mangelndes Interesse am Spielen
Auf die Frage, welche Faktoren den Schlaf von Hunden beeinträchtigen könnten, äußert sich Dr. Barrett folgendermaßen: „Hat der Hund einen ruhigen Ort zum Schlafen? Kratzt er sich und leckt die ganze Nacht über seine Pfoten? Fühlt er sich aufgrund von Arthritis unwohl und muss beim Schlafen ständig seine Position wechseln? Muss er häufig zum Hundeklo laufen, weil er an einer Harnwegsinfektion leidet? Wenn Hunde nicht gut schlafen können, hat das oft eine gesundheitliche Ursache.“
Der Hund steuert seine Reaktionen und Emotionen
Wenn du bemerkst, dass dein Hund gähnt, während ein anderer Hund mit ihm interagiert, solltest du eingreifen und deinem Hund helfen. Forschungen zeigen, dass Gähnen nach Konflikt- und Stressphasen auftreten kann. Diese Form von Gähnen unterscheidet sich also von jenem der Menschen – wir tun dies, um zu zeigen, dass wir nicht verängstigt oder überfordert sind. Bei Hunden könnte das durchaus ein Signal für Passivität sein. Wenn dein Hund als Reaktion auf eine Auseinandersetzung mit einem größeren oder aggressiveren Hund gähnt, könnte er damit auf seine Art und Weise vermitteln wollen, dass er in Ruhe gelassen werden möchte.
Sollte ich einen Arzt aufsuchen, wenn mein Hund gähnt?
Wenn das Gähnen mit einem gesundheitlichen Problem zusammenhängt, richtet sich die Behandlungsform – wie bei jeder Krankheit – nach der zugrunde liegenden Ursache. Gähnen bei Schlafmangel aufgrund von Hautallergien erfordert einen ganz anderen Ansatz als Gähnen wegen eines Mangels an geeigneten Reizen. „Manchmal ist ein Gähnen einfach nur ein Gähnen“, so Dr. Barrett.
Um zwischen einem „normalen“ Gähnen und einem bedenklichen Gähnen zu unterscheiden, nennt Dr. Barrett folgende uncharakteristische Verhaltensweisen, die einen Arztbesuch notwendig machen:
- Lecken der Pfoten
- Exzessives Bellen
- Lethargie
- Appetitverlust
- Gähnen beim Fressen oder Trinken
- Übermäßiges Gähnen
Es ist auch wichtig, das Gähnen von anderen Verhaltensweisen wie dem imaginären „Fliegenschnappen“ abzugrenzen. Dabei schnappt der Hund nach nicht vorhandenen Fliegen in der Luft. „[Das Fliegenschnappen] kann auf Magen-Darm- oder neurologische Probleme hinweisen. Ich empfehle daher immer, ein Video des Hundes zu machen und es dem Tierarzt zu schicken. „Wenn der Hund während des Arztbesuches nicht gähnt, kann der Mediziner das Verhalten trotzdem untersuchen.“
Wenn ein medizinischer Grund ausgeschlossen wurde, du aber trotzdem bemerkst, dass dein Hund in bestimmten Situationen oder bei gewissen Auslösern gähnt, solltest du mit einem Spezialisten über Möglichkeiten zur Angstbewältigung sprechen.
Wie ist der Stand der Forschung zum Gähnen bei Hunden?
Alles in allem sind die Verhaltensweisen deines Hundes, einschließlich des Gähnens, in hohem Maße kontextabhängig und ein allgemeines, unwillkürliches Verhalten. Es gibt zwar einige Theorien, einen endgültigen Grund für das Gähnen bei Hunden hat die Wissenschaft allerdings trotz mehrerer Beobachtungsstudien noch nicht ermitteln können.
„Eine der ältesten Theorien für das Gähnen bei Hunden ist das ansteckende Gähnen“, so Dr. Barrett. Dabei verweist sie auf eine Studie aus dem Jahr 2012 über die kognitive Wahrnehmung von Tieren, in der untersucht wurde, ob Hunde ein Gähnen erkennen können, wenn lediglich ein Gähngeräusch eines Menschen hörbar war. Die Hunde gähnten nicht nur, wenn sie das Gähnen eines Menschen hörten, auch die Häufigkeit des Gähnens stieg an, wenn es sich um eine ihnen bekannte Person handelte. „Aus streng wissenschaftlicher Perspektive ist man sich jedoch nicht einig, wie Empathie gemessen werden kann. Daher wird dieser Theorie also nur zögerlich zugestimmt“.
Eine andere Theorie besagt, dass das Gähnen dem Hund hilft, Ängste und Stress abzubauen.
„Einige gehen davon aus, dass das Verhalten beruhigende Hormone freisetzt, die dazu beitragen können, den Angstpegel bei Tier und Mensch zu senken“, so Dr. Barrett. Wenn Hunde gähnen, wenn sie neue Menschen treffen oder sich in lauten, ungewohnten Umgebungen aufhalten, kann es sich um eine Stressreaktion handeln. „Wenn sie das Maul weit aufreißen und dabei tief einatmen, hilft ihnen das, sich zu beruhigen und zu entspannen.“
Oft ist Gähnen ein völlig normales Verhalten – selbst wenn die Gründe dafür noch ungewiss sind. „Zu diesem Thema gibt es noch viel zu erforschen“, sagt Dr. Barrett. „Vor allem hinsichtlich der Art und Weise, wie Tiere untereinander und mit uns Menschen kommunizieren“.
Wenn du wissen möchtest, warum dein Hund gähnt, oder besorgt bist, achte darauf, welche weiteren Verhaltensweisen er an den Tag legt. Wenn du einen medizinischen oder psychologischen Grund für das Gähnen deines Hundes vermutest, könntest du es filmen und das Video deiner Tierärztin zeigen.