Hier siehst du mich mit Henry, dem besten Hund auf der ganzen Welt. Seine Lieblingsbeschäftigung, eigentlich sogar sein ganzer Lebensinhalt ist es (außer natürlich allen, denen er begegnet, eine Riesenfreude zu bereiten), ohne Leine durch die Pampa zu rennen, wo er Rehe jagen und alles eingehend beschnüffeln kann.
In dem Jahr, in dem Henry acht Jahre alt wurde, bemerkten wir, dass er nach ein paar herrlichen Sprints im Grünen etwas hinkte. Normalerweise erholte er sich aber immer nach ein paar Tagen von selbst, und wir dachten deshalb, dass es sich bloss um steife Gelenke oder Muskelkater handelte. Bis wir dann doch feststellen mussten, dass sein Humpeln einfach nicht besser wurde.
Unser Tierarzt sagte uns, dass Henrys vorderes Kreuzband angerissen sei und eine TPLO-Operation (Tibial-Plateau-Leveling Osteotomy) erforderlich sei, bei der ein Arzt das Bein unseres Hundes aufschneidet, dann durch das Schienbein des lieben, süßen, perfekten Henrys sägt (ja, wirklich, mit einer Säge!) und den Knochen mit einer Platte wieder befestigt, wodurch ein neues Gelenk entsteht, das nicht einmal mehr ein Kreuzband benötigt (diese Webseite bietet eine viel eingehendere und wissenschaftlichere Erläuterung der Prozedur, obwohl sie interessanterweise über das Detail mit dem Rumsägen hinweggeht).
Unsere Tierärztin sieht aus wie Julianne Moore, und vor einigen Jahren hat sie uns ganz behutsam durch einen sehr traurigen Hundetod begleitet, deshalb vertrauten wir ihr in dieser Angelegenheit auch vollkommen. Als wir aber die Nachricht hörten, was auf Henry zukommen würde, durchliefen wir sofort die sieben Phasen der Trauer:
Schock & Leugnen: Wenn wir ihm jetzt einfach ein wenig Zeit geben, wird es ihm wieder von selbst besser gehen. Vielleicht heilt das ja doch noch von alleine. Hey, ihr alle bei Facebook, ist das jemandem von euch auch schon passiert? Wie habt ihr eurem Tierarzt gesagt, dass er sich seinen Behandlungsvorschlag sparen kann, als er euch die Nachricht überbracht hat?
Schmerz & Schuldgefühle: HENRY?! [mit Tränen in den Augen] Herumrennen ist seine größte Leidenschaft, seine größte Freude. Was, wenn wir ihn ZU viel haben laufen lassen? Vielleicht hätte er auf weicherem Untergrund laufen müssen! Was haben wir ihm nur angetan?!
Wir müssen alles dafür tun, dass Henry das bionische Bein bekommt, das er verdient. Und natürlich so viel Erdnussbutter, wie er will, für immer und ewig.
Wut, Feilschen & Verhandeln: Für wen zum Teufel hält sich diese Tierärztin, die uns sagt, dass sie unseren Hund einfach so aufschneiden und mit einem großen Batzen unserer Ersparnisse abhauen kann?
Depression, Reflektion, Einsamkeit: Es geht ihm einfach nicht besser. Was ist, wenn er nie wieder laufen kann? Was, wenn er seinen wahren Lebenssinn verliert? Was, wenn sie unseren Hund zerstören? Und was, wenn sich herausstellt, dass unser Hund sterblich ist?!? [Unkontrolliertes Weinen.]
Und dann die Wende, gefolgt von Wiederaufbau & Aufarbeitung, wiederum gefolgt von Akzeptanz & Hoffnung: Uns wurde gesagt, dass er wird wieder laufen wird. Einige dieser Facebook-Kommentare waren wirklich hilfreich und ermutigend… Ihre Hunde haben sich erholt, und Leute, die wir kennen, sagen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Und, zugegeben, Julianne Moore ist ein Engel, der hier auf Erden in der Gestalt einer Tierärztin herumläuft. Wir kriegen das hin. Wir müssen alles dafür tun, dass Henry das bionische Bein bekommt, das er verdient. Und so viel Erdnussbutter, wie er will, für immer und ewig natürlich.
Innerhalb von ein oder zwei Wochen hatten wir uns für einen chirurgischen Tierarzt (der uns von unserer Julianne Moore empfohlen wurde) ausgesucht, der zwar kein zertifizierter Facharzt war (und deshalb auch 2000 $ billiger), aber bereits viele erfolgreiche TPLO-Operationen durchgeführt hatte und einen guten Ruf genoss. Dort konnte die Operation zu einem Preis durchgeführt werden, den wir auch stemmen konnten.
Am vereinbarten Datum setzten wir Henry ins Auto und fühlten uns ziemlich schuldig in dem Wissen, was bald mit dem besten Hund auf der ganzen Welt passieren würde. Wir geleiteten ihn durch die schicksalhaften Türen der Praxis, mit Tränen in den Augen, und warteten dann, bis wir später am Nachmittag angerufen wurden: Henry hat es geschafft. Er hat sich super geschlagen. Und ja, wir finden auch, dass er der beste Hund auf der ganzen Welt ist.
Ich war wirklich besorgt darüber, wie wir einen 85 Pfund schweren Hund mit nur drei funktionierenden Gliedmaßen und den vielen Schmerzmitteln, die durch seine Adern flossen, am besten händeln sollten. Könnten wir ihm helfen, aufzustehen, damit er sein Geschäft erledigen kann? Was, wenn er sein Bein komisch belastet und damit die ganze OP umsonst wäre? Was, wenn er in dem kurzen Moment, in dem er zur Toilette gehen kann, an seinen Nähten leckt? Was, wenn er die Medikamente nicht schluckt?
Wir wollten auf jeden Fall alles richtig machen, also kauften wir das empfohlene Zubehör (vor allem ein Geschirr, um ihn von oben anheben zu können). Wir haben uns alles, was uns unsere Tierärztin mitgab, ganz genau durchgelesen. Wir haben uns lauter YouTube-Videos angesehen, in denen es darum ging, wie man einen Hund dazu bringt, seine Tabletten zu schlucken, wie man den Hund sicher aus und wieder in seine Hundebox bekommt, wie man dem Hund draußen bei der Notdurft hilft und wie man dafür sorgt, dass unser zweiter Hund (der übrigens auch ein ganz fantastischer Hund ist) nicht im Weg ist, wenn Henry aus der Hundebox kommt, um sein Geschäft zu verrichten.
Wir entwickelten ein System für die methodische Einnahme von Henrys Medikamenten – Antibiotika, Schmerzmittel, Entzündungshemmer. Zuerst haben wir mit einer Tabelle gearbeitet, später mit einer Reihe von kleinen Bechern, die mit den richtigen Pillen befüllt und mit der entsprechenden Tageszeit beschriftet waren. Zum Glück haben Henrys Vater und ich entgegengesetzte Arbeitszeiten, sodass einer von uns eigentlich immer zu Hause war. So ein System war nützlich, damit wir beide immer wussten, welche Medikamente Henry bereits bekommen hatte und welche noch nicht.
Die ersten paar Wochen waren hart. Es ist schrecklich, zu sehen, wenn der eigene Hund Schmerzen hat, und natürlich fragt man sich manchmal, ob man nicht doch einen großen Fehler gemacht hat. Henry sah verwirrt aus, so als fühlte er sich hintergangen: Warum hast du mir das angetan?! Ich dachte, du liebst mich!
Nach ein paar Tagen mussten wir Henry eine riesige Hundebox kaufen – im Prinzip eine echte kleine Hundewohnung mitten in unserem Wohnzimmer – damit er sich umdrehen konnte, während er den “Lampenschirm” trug. Aber wenigstens konnte ich da hineinklettern, um ihn ein wenig zu trösten und damit er sich weniger alleine fühlte.
Henry erwies sich als ein toller Patient. Er gewöhnte sich schnell an die Routine, und am schlimmsten war vielleicht, ihn nachts jaulen zu hören, weil er in seiner Hundebox bleiben musste, anstatt am Fußende des Bettes schlafen zu dürfen.
Aber wir hielten uns an die Anweisungen. Bald konnte Henry kurze, dreibeinige “Reha-Spaziergänge” vor dem Haus und dann sogar ein Stück die Straße runter machen und dabei sein heilendes Knie belasten. Wir wurden auch gut durch die medizinischen Mitglieder des Henry Fan Clubs unterstützt. Die Kostenvoranschläge und Rechnungen unserer Tierärzte beinhalteten bereits eine Reihe von Nachuntersuchungen, das Nachfüllen von Medikamenten, Röntgenkontrollen und telefonische Beratungen, sogar außerhalb der Sprechzeiten.
Es dauerte ganze 100 Tage, bis Henry wieder komplett auf den Beinen war. In den ersten ein oder zwei Monaten der Genesung muss er 24 Stunden in der Hundebox verbringen, außer für die Gassigeh-Pausen. Aber im dritten Monat durfte Henry endlich wieder außerhalb der Hundebox leben – zumindest wenn jemand zu Hause war, um ihn zu beaufsichtigen – damit er auch ja nicht herumhopst, herumläuft oder auf Möbel springt. Und allmählich gewann er auch wieder seine Freiheit zurück.
Es dauerte ganze 100 Tage, bis Henry wieder komplett auf den Beinen war.
Der zweite vordere Kreuzbandriss
Leider zog sich Henry um den 115. Tag herum einen Kreuzbandriss in seinem anderen Bein zu und musste diese ganze Prozedur ein zweites Mal durchlaufen. Die ersten Tage in Runde 2 waren etwas schwieriger – er machte in seiner Hundebox immer wieder ins Bett, wodurch sein Geschirr nass wurde, allerdings konnten wir das Geschirr nicht abnehmen… Einer von uns musste immer schnell die Laken wechseln, während Henry mit dem anderem pinkeln war. Und dann passierte es wieder.
Wir fragten uns schon, ob das eine Art Protestpinkeln war, quasi Henrys Art um uns zu sagen: “Wollt ihr mich verarschen?! NOCHMAL?! Ich habe euch vertraut!!! Bin ich etwa nicht DER BESTE HUND AUF DER WELT?!”
In den ersten zehn Tagen oder so mussten wir mehrere neue Hundebetten anschaffen. Aber Henry stabilisierte sich kurz danach, seine Genesung nahm seinen Lauf und wir waren zu diesem Zeitpunkt schon totale Profis.
Auch mit zwei bionischen Beinen ist Henry immer noch der beste Hund auf der ganzen Welt. In Anbetracht seines Alters sind wir vorsichtiger geworden, ihn wie früher bei langen Spaziergängen ohne Leine frei laufen zu lassen, vor allem, weil wir befürchten, dass er beim Anblick eines Rehs zum Sprint ansetzt und dann wieder humpelnd nach Hause kommt. Aber hier und da wir lassen ihn weiterhin frei rennen.
Was ist zu tun, wenn sich dein Hund einen vorderen Kreuzbandriss zuzieht
Wenn heute jemand dieselbe verzweifelte Frage auf Facebook stellt, würde ich darauf Folgendes antworten:
- Finde einen guten Chirurgen, dem du vertraust, sieh dir seine/ihre Referenzen an und hole dir Empfehlungen von Freunden ein, deren Hunde erfolgreich operiert wurden. Wenn du dich für einen bestimmten Chirurgen entscheidest, der kein zertifizierter Facharzt ist, solltest du dich vorher gut informieren!
- Plane die Operation zu einem Zeitpunkt, an dem du mehr Zeit zu Hause verbringen kannst, möglichst zwei Wochen.
- Wenn möglich, solltest du einen Freund oder eine Freundin fragen, der/die dir dabei hilft (es ist definitiv einfacher, wenn du Unterstützung hast, vor allem dann, wenn du einen größeren Hund hast). Ein vertrauenswürdiger Hundesitter, der weiß, wie man Medikamente verabreicht, kann auch eine gute Anlaufstelle sein.
- Informiere dich im Vorfeld so gut wie möglich, und sei dazu bereit, dich während des Genesungsprozesses eingehend um deinen Hund zu kümmern.
Als das TPLO-Verfahren vor fast zwanzig Jahren aufkam, wurde es noch als radikal angesehen, aber heute hat es sich weithin als bester Ansatz zur Behandlung eines gerissenen Kreuzbandes bei Hunden etabliert. In Henrys Fall – wie auch bei vielen anderen Hunden – war es die Zeit, den Aufwand, die Kosten und die mühsame Pflege wert. Denn jetzt kann der beste Hund auf der Welt genau das tun, was er am meisten liebt. Möge er lange (FÜR IMMER) leben und herumrennen!