Unser Lieblingsparfum, ein Festessen, das im Ofen schmort, ein duftender Blumenstrauß und selbst ein stinkender Hundehaufen – Gerüche lösen bei uns allen lauter gute (oder auch schlechte) Erinnerungen und Gefühle aus. Der Geruchssinn von Hunden ist dagegen noch mal auf einem ganz anderen Level.
Warum zerren Hunde beim Gassi gehen an der Leine, um am Hydranten schnuppern zu können? Warum wackeln ihre Nasen von links nach rechts, wenn wir in der Küche etwas kochen? Warum drücken Hunde ihre Nasen in unseren Schritt und unsere getragene Unterwäsche? Wir haben mit Dr. Stanley Coren, dem Hundepsychologen und Autor des Buches “Wie Hunde denken und fühlen. Die Welt aus Hundesicht: So lernen und kommunizieren Hunde” gesprochen, um die nützlichen und auch manchmal etwas weniger schönen Aspekte des Geruchssinns von Hunden zu entschlüsseln.
Zum Schnüffeln geboren
Von allen fünf Sinnen ist der Geruchssinn beim Hund am stärksten ausgeprägt. Eine menschliche Nase ist mit ungefähr 5 Millionen Geruchsrezeptoren ausgestattet, Hunde haben dagegen viele Millionen mehr. Ein Dackel hat etwa 125 Millionen Geruchsrezeptoren, Beagles ungefähr 225 Millionen und Bluthunde sogar bis zu 300 Millionen.
“Hunde leben damit in einer völlig anderen Welt als wir, die mit viel viel mehr Informationen angefüllt ist, als wir über Gerüche überhaupt verarbeiten könnten”, so Dr. Coren. “Aber so werten Hunde eben Informationen aus.”
Weil Hunde so viele olfaktorische Rezeptoren haben, können sie einzelne Gerüche auch ganz leicht voneinander unterscheiden – es ist quasi ihre Art zu sehen. Dr. Coren führt dazu folgenden Vergleich an:
“Menschen sind visuelle Tiere und Hunde sind olfaktorische Tiere. Stell dir vor, wir visuelle Menschen sehen eine Tagesdecke und legen darauf ein Buch und auf das Buch einen Bleistift. Für uns ist dieser Anblick kein Mischmasch – wir sehen einen Bleistift, ein Buch und eine Tagesdecke. Wir zerlegen, was wir sehen, optisch in seine Einzelteile. Aber weil unser Geruchssinn schlechter ist als der eines Hundes, riechen wir allerdings eher nur ein Gesamtmischmasch, wenn wir z. B. einen Raum betreten, in dem gerade Chili gekocht wird. Ein Hund hingegen kann die Gerüche voneinander trennen. Er riecht das Fleisch, die Tomaten, die Gewürze und die Paprikaschoten – jede Zutat einzeln. Deshalb müssen sie auch viel mehr Informationen verarbeiten und verbringen mehr Zeit damit, an etwas zu schnüffeln, um die einzelnen Komponenten voneinander unterscheiden zu können.”
Die Fähigkeit einzelne Bestandteile riechen zu können, ist im Prinzip die Art und Weise, wie Hunde die Welt “sehen”. Hunde haben hingegen diverse Sehschwächen. Sie können Bewegungen zwar recht gut erkennen, haben bspw. aber ein eingeschränktes Farbsehvermögen.
“Hunde haben im Vergleich zum Sehvermögen von Primaten einige Schwachpunkte, “ erklärt uns Dr. Coren. “Die meisten Hunde sind weitsichtig und haben ein weniger gutes Binokularsehen. Sie können Tiefe nicht so gut wahrnehmen und ihre Fähigkeit, Dinge zu sehen, die sehr nah sind, ist nicht besonders gut ausgeprägt, weil dafür einfach ihre Schnauze im Weg ist.”
Aber natürlich können Hunde ihre Sehschwächen gut auszugleichen – allem vorweg mit ihrem gesteigerten Geruchssinn.
Üble Gerüche
Aber wenn Hunde einen überlegenes Geruchsempfinden haben – wie kommt es dann, dass sie besonders gerne stinkige Dinge mögen? Von einem evolutionären Standpunkt aus lässt sich das Wälzen in etwas Übelriechendem gut nachvollziehen – es war eine einfach Methode, ihren eigenen Körpergeruch zu überdecken, um besser jagen zu können. Schoßhunde von heute sehen das wahrscheinlich anders – heutzutage handelt es sich wohl eher um Reizüberflutung.
“Meine Theorie ist, dass Hunde sich aus demselben Grund in stinkenden Dingen wälzen, warum Menschen zum Beispiel knallige Hawaii-Shirts tragen,” so Dr. Coren. “Bei Hunden geht es um den vorherrschenden Geruchssinn und bei Menschen um den dominanten Sehsinn.”
Hunde schnüffeln aber an Urin und am Hintern von anderen Hunden aus ganz anderen Gründen. Weil Hunde die Welt riechend wahrnehmen, übermitteln sie ihren Artgenossen über den Urin quasi Mitteilungen über Alter, Geschlecht, Stimmung und sogar den gesundheitlichen Zustand, erklärt uns Dr. Coren. Und diese Informationen halten noch lange an, auch wenn der Hund schon längst wieder weg ist.
Dr. Coren sagt, dass “für Menschen ein Geruch allmählich verschwindet, weil er beim Trocknen verblasst.“ “Gerüche müssen für menschliche Nasen über Feuchtigkeit transportiert werden. Für Hunde bleibt ein Geruch aber wesentlich länger bestehen.”
Aber natürlich frischen Hunde ihre Duftmarke auch gerne auf. Deshalb stoppt dein Liebling auch immer bei seinem Lieblingsbaum oder am Hydranten, wenn du beim täglichen Spaziergang denselben Weg nimmst.
Schmecken und Riechen
Geruchs- und Geschmackssinn sind beim Menschen eng miteinander verknüpft. Bei Hunden ist das weniger der Fall. Menschen haben fünfmal mehr Geschmacksrezeptoren als Hunde – durchschnittlich haben Hunde etwa 1500 Geschmacksknospen, während Menschen ungefähr 6000 haben.
“Geschmack ist für Hunde nicht so wichtig,” sagt Dr. Coren.
Wenn dein Hund beim Fressen wählerisch ist und ihn der Geruch seiner Trockennahrung oder anderer Snacks nicht besonders anspricht, schlägt Dr. Coren vor, dem Futter warmes Wasser hinzuzufügen. “Geschmack löst sich in Wasser gut auf und macht die Nahrung für den Hund attraktiver. Wasser setzt einen Teil des Geruchs frei, was den Hund anregt, weiter zu fressen.”
Auch wenn der Geschmackssinn eines Hundes nicht so ausgeprägt ist wie der von Menschen, müssten Hunde doch wissen, dass Kot nicht besonders lecker schmeckt. Dr. Coren meint, dass es beim Kotfressen einfach darum geht, unverdaute Nährstoffe aufzunehmen.
“Hunde haben einen kurzen Verdauungstrakt und je fettreicher die Ernährung, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich im Kot noch unverdaute Nährstoffe befinden,” erklärt Dr. Coren. “Aber natürlich willst du trotzdem nicht, dass dich dein Hund danach im Gesicht abschlabbert. Hunde sind einfach Tiere, die nichts verkommen lassen.”
Hundenasen sind wie Schneeflocken – jede ist einzigartig
Die Nase eines Hundes ist so einzigartig, dass sie oft mit einem menschlichen Fingerabdruck verglichen wird – keine Hundenase gleicht einer anderen. Bevor es Mikrochips gab, so Dr. Coren, war der Nasenabdruck eine Methode zur Identifizierung von Hunden. Dr. Coren beschreibt in diesem Blogbeitrag (Englisch), wie man den Nasenabdruck seines Hundes gewinnen kann – falls du dir den von deinem Hund rahmen lassen und neben seinem Foto aufhängen möchtest.
“Das ist auch ein tolles Spiel, was man mit Kindern spielen kann,” findet Dr. Coren. “Wahrscheinlich braucht man aber mehrere Versuche. Es liegt nicht unbedingt in der Natur der Hunde, sich bei solchen Aktionen kooperativ zu zeigen.”
Warum schnüffeln Hunde an Menschen?
Wir wissen bereits, dass Hunde jede Menge Informationen erhalten, wenn sie am Hintern anderer Hunde riechen, aber gilt dasselbe, wenn sie im Schritt von Menschen schnüffeln?
Hunde haben ein besonderes Organ in ihrer Riechbahn. Es handelt sich um das Jacobson-Organ, auch bekannt unter der Bezeichnung vomeronasales Organ, welches eher Feuchtigkeit als Geruch wahrnimmt. Dieses Organ sorgt dafür, dass Hunde besonders sensibel auf Pheromone reagieren, ein Botenstoff, den Tiere an ihre Umwelt abgeben und der nützliche Informationen übermittelt.
Hunde haben am ganzen Körper apokrine (Schweiß-)Drüsen, die Pheromone abgeben, aber im Genital- und Analbereich treten diese in besonders hoher Konzentration auf. Beim Menschen findet man apokrine Drüsen nur in bestimmten Körperbereichen, vor allem im Achsel- und Schrittbereich. Dr. Coren sagt, dass Hunde diese Bereiche bei Menschen aus denselben Gründen wie bei anderen Hunde beschnüffeln – nämlich, um wichtige Informationen zu gewinnen.
“Hunde – vor allem Rüden – reagieren besonders auf den sexuellen Zustand anderer Tiere,” so Dr. Coren.
Hunde können bei Frauen und anderen Tieren den Eisprung wahrnehmen. Das ist auch der Grund, warum das Schnüffeln am weiblichen Schritt zu bestimmten Zeiten im Monat zunimmt. Laut Dr. Coren werden Hunde sogar dafür eingesetzt, um Milchbauern dabei zu helfen, die sehr kurze fruchtbare Phase bei Kühen zu ermitteln. Hunde werden darauf trainiert, über ihre Nase bestimmte Krebsarten zu erkennen oder einen diabetischen Schock und infektiöse Bakterienstämme zu erschnüffeln.
Fazit
Der primäre Sinn des Menschen ist das Sehvermögen, aber Hunde “sehen” die Welt durch ihre Nase. Mit ihrem ausgeprägten Geruchssinn können sie einzelne Geruchskomponenten voneinander unterscheiden, um die Welt um sie herum besser zu verstehen. Auch wenn uns das ganze Geschnüffel oft albern oder manchmal sogar etwas eklig (weil doch sicher auch stinkend) vorkommt, ist es für unsere vierbeinigen Freunde ganz normal.
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