- Dieser Artikel ist kein Ersatz für eine professionelle, tierärztliche Konsultation.
Über Katzen kursieren viele Erzählungen und Legenden. Manche davon sind wahr – zum Beispiel stimmt es, dass Katzen von ihren Jagdausflügen „Souvenirs“ mitbringen und sie ihren Besitzern zu Füßen legen. Andere sind hingegen frei erfunden, zum Beispiel, dass schwarze Katzen Unglück bringen.
Eine verbreitete Ansicht lautet, dass Katzen im Dunkeln sehen können. Viele Katzenbesitzer sind überzeugt, dass ihre Haustiere in der Nacht genauso gut sehen können wie tagsüber.
Aber stimmt das auch? Können Katzen wirklich im Dunkeln sehen? Und wenn ja, wieso?
Katzen können auf gewisse Weise im Dunkeln sehen
Kommen wir zur Sache: Können Katzen im Dunkeln sehen?
Ja, das können sie – zumindest viel besser als Menschen. „Katzen können in der Dunkelheit mehr Details wahrnehmen als Menschen“, so Dr. Zay Satchu, leitende Tierärztin bei Bond Vet, einem Start-up für Haustierpflege mit Notfalldiensten und Tierarztpraxen in New York City. „Wenn wir Menschen uns im Dunkeln umschauen, können wir kaum etwas erkennen und stoßen daher häufig gegen Gegenstände. Katzen können die Form, die Beschaffenheit und andere Merkmale von Gegenständen im Dunkeln hingegen sehr gut wahrnehmen.“
Katzen sehen in der Dunkelheit also nicht genauso gut wie tagsüber, können aber auch bei wenig Licht Details besser erkennen als wir.
Wieso Katzen im Dunkeln sehen können
Wer sich eingehend mit dem Thema Sehkraft beschäftigt, merkt schnell, dass es unglaublich interessant und rätselhaft ist. Fangschreckenkrebse haben zum Beispiel mehr Farbrezeptoren als Menschen (12 statt nur drei) und können daher Farben sehen, die wir Menschen uns nicht einmal vorstellen können. Adler sehen vier- bis fünfmal weiter als Menschen (daher kommt auch der Begriff „Adlerauge“). Und obwohl Menschen im Dunkeln wie blind herumirren, haben es Katzen relativ leicht, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden.
Aber woran liegt das genau? Warum können Katzen im Dunkeln viel besser sehen als wir Menschen?
Es gibt mehrere Gründe, warum Katzen nachts besser sehen als Menschen, und die meisten davon haben mit dem Aufbau ihrer Augen zu tun. Im Folgenden beschreiben wir, was die Fachwelt über das Sehvermögen von Katzen im Dunkeln weiß.
1. Pupillenform
Die meisten Tiere (und alle Menschen!) haben kreisrunde Pupillen. Die Pupillen von Katzen sind jedoch elliptisch bzw. schlitzförmig, was mit ihrer Fähigkeit zusammenhängt, im Dunkeln sehen zu können. „Elliptische Pupillen können mehr Licht ins Auge aufnehmen als runde Pupillen“, so Satchu. „Außerdem weiten sich die Pupillen von Katzen nachts erheblich, damit möglichst viel Licht eindringen kann. Katzen können ihre Pupillen um das 135-Fache erweitern, Menschen hingegen nur um das 15-Fache.“
Dank ihrer schlitzförmigen Pupillen können Katzen nachts besonders gut sehen und werden bei Tageslicht nicht völlig geblendet, erklärt sie.
2. Fotorezeptoren im Auge: Stäbchen und Zapfen
Sowohl bei Menschen als auch bei ihren Haustieren gibt es in der Netzhaut zwei Arten von Fotorezeptoren: Stäbchen und Zapfen. Diese beiden Arten von Rezeptoren erfüllen im Auge unterschiedliche Funktionen. Stäbchen dienen der Nachtsicht und dem peripheren Sehen, Zapfen sind für das Sehen bei Tageslicht und für die Wahrnehmung von Farben zuständig.
Die menschliche Netzhaut enthält etwa 120 Millionen Stäbchenzellen. Und die Netzhaut von Katzen? Katzen haben sechs- bis achtmal so viele Stäbchenzellen, weshalb ihre Nachtsicht viel besser ausgeprägt ist als die von Menschen.
„Katzen haben viele Stäbchen und weniger Zapfen, bei Menschen ist es genau umgekehrt“, so Satchu.
3. Größe der Hornhaut
Die Hornhaut ist die äußerste Schicht des Augapfels. Wenn Licht in das Auge eindringt, wird es durch die gekrümmte Hornhaut gebeugt. Das spielt eine maßgebliche Rolle, wenn wir unser Auge auf bestimmte Objekte fokussieren.
Die Hornhaut von Katzen ist im Vergleich zu Menschen relativ groß. Das trägt dazu bei, dass sie im Dunkeln besser sehen können. „Die Hornhaut nimmt bei Katzen eine größere Oberfläche ein. Das bedeutet, dass ihre Augäpfel relativ gesehen größer sind als bei Menschen“, erklärt Satchu. „Je größer die Hornhaut, desto größer ist die Oberfläche, durch die Licht eintreten kann.“
Und je mehr Licht eindringen kann, desto leichter können Katzen sehen und fokussieren, selbst wenn es für uns Menschen einfach dunkel ist.
4. Tapetum lucidum
Nein, das ist kein Zauberspruch aus „Harry Potter“. Es ist eine Schicht hinter der Netzhaut von Katzen. Menschen haben kein Tapetum lucidum, doch für Katzen ist es sehr nützlich. „Auf Fotos scheinen Katzen oft glänzend grüne Augen zu haben. Das ist das Tapetum lucidum. Man sieht es auch, wenn wir Katzen nachts im Freien beobachten“, beschreibt Satchu.
Dieses Gewebe reflektiert das einfallende Licht noch einmal zurück ins Auge und verbessert die Nachtsicht des Tieres.
Eine Reihe von Tieren, darunter Hirsche, Hunde, Pferde, Frettchen und Kühe, besitzen ein Tapetum lucidum. Viele andere, wie Primaten, Eichhörnchen, Kängurus und Schweine, haben aber keines. Ob ein Tier ein Tapetum lucidum besitzt, hängt möglicherweise damit zusammen, wie viel Zeit es im Dunkeln verbringt und wie gut es in der Dunkelheit sehen muss.
Kein Wunder also, dass Katzen, die in der Dämmerung jagen, das Tapetum haben.
4. UV-Licht
Katzen sehen nicht nur besser, sondern auch mehr als Menschen. Im Gegensatz zu Menschen können Katzen Licht im UV-Spektrum wahrnehmen. Bestimmte Muster in Blumen oder Urinspuren, die uns Menschen verborgen bleiben, können Katzen sehen und für die Jagd nutzen.
Woher kommt diese Superkraft? Die transparenten Teile des Auges einer Katze übertragen ultraviolettes Licht, wodurch mehr Licht in die Netzhaut gelangt. Wie bereits erwähnt, ist es besser für die Nachtsicht, je mehr Licht die Netzhaut erreicht.
5. Schnurrhaare und Ohren
Katzen sehen im Dunkeln eindeutig besser als Menschen. Aber das liegt nicht nur an ihren anpassungsfähigen Augen.
Katzen verwenden ihre Schnurrhaare als Berührungsrezeptoren, wodurch sie ihre Umgebung besser wahrnehmen und Hindernisse erkennen können. Ihr scharfer Gehörsinn ermöglicht es ihnen, hochfrequentere Töne aus größerer Entfernung wahrzunehmen, als Menschen es können. Beides hilft ihnen, sich um Dunkeln zurechtzufinden.
Am besten erklären wir es anhand eines Beispieles. Stell dir vor, du und deine Katze seid draußen und es ist stockfinster. Es gibt weder künstliches Licht noch Mondlicht. Ihr beide müsst ein Tier finden, das sich irgendwo in der Dunkelheit versteckt.
Während du wie blind herumstolpern würdest, könnte deine Katze nicht nur besser sehen, sondern dank ihrer guten Ohren auch das kleinste Rascheln von Laub aus viel größerer Entfernung wahrnehmen. Sobald sie eine Geräuschquelle vernommen hat, helfen ihr ihre Schnurrhaare dabei, sich einen Weg zu bahnen und das versteckte Tier zu finden.
Augen, Ohren und Schnurrhaare: Katzen können sich von Natur aus gut im Dunkeln fortbewegen. Ihr Sehsinn, Gehörsinn und ihre Orientierung sind besser als die von Menschen.
Warum hat sich bei Katzen eine gute Nachtsicht ausgebildet?
Aufgrund ihrer schlitzförmigen Pupillen, der relativ hohen Anzahl an Stäbchenzellen, der großflächigen Hornhaut und des Tapetum lucidum ist klar, dass Katzen biologisch darauf ausgerichtet sind, im Dunkeln sehen zu können. Aber warum? Wie hat sich bei Katzen eine gute Nachtsicht ausgebildet?
In der Fachwelt wird vermutet, dass sich die Augen (und insbesondere die Pupillen) von Katzen so entwickelt haben, damit Katzen nachts besser jagen können. Laut Satchu weisen Studien darauf hin, dass schlitzförmige Pupillen am häufigsten bei nachtaktiven Tieren vorkommen, die ihre Beute hauptsächlich aus dem Hinterhalt angreifen. „Diese Pupillenform ermöglicht es dem Tier, Entfernungen sehr genau abzuschätzen, damit es seine Beute richtig anspringen kann“, erklärt sie. „Raubtiere, die aus dem Hinterhalt angreifen, müssen Entfernungen gut einschätzen können, um ein sich bewegendes Beutetier zu fangen.“
Die schlitzförmigen Pupillen ermöglichen es deiner Katze also nicht nur, im Dunkeln besser zu sehen, sondern auch, abzuschätzen, wo und wie weit entfernt sich ihre Beute versteckt. Das macht es ihr leichter, sich anzupirschen und zuzuschnappen. Oft endet diese Beute dann als Mitternachtssnack.
Aber nicht jede Katze hat die gleiche Anatomie. Während domestizierte Katzen schlitzförmige Pupillen haben, ist dies bei Großkatzen (wie Tigern und Löwen) nicht der Fall. Das könnte daran liegen, dass Hauskatzen nicht ausschließlich bei Dunkelheit aktiv sind. „Hauskatzen und andere Arten, die sowohl tagsüber als auch nachts aktiv sind, profitieren von der Flexibilität von schlitzförmigen Pupillen. Sie können sich bei schwachem Licht zurechtfinden und werden nicht von der Mittagssonne geblendet“, so Martin Banks, leitender Forscher einer Studie über Tierpupillen der University of California, Berkeley, in einer Presseaussendung aus dem Jahr 2015.Schlitzförmige Pupillen helfen also Katzen dabei, im Dunkeln zu jagen, doch rein nachtaktive Jäger brauchen sie nicht. Wir sollten auch nicht unerwähnt lassen, dass Löwen auch ohne schlitzförmige Pupillen keine Probleme haben, ihre Beute zu fangen – egal zu welcher Tageszeit. Nicht umsonst wird der Löwe „König des Dschungels“ genannt!
Haben Katzen die beste Nachtsicht aller Tiere?
Ohne Zweifel haben Katzen eine angeborene Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen. Doch wie gut können sie das im Vergleich zu anderen Tieren?
„Katzen haben eine gut ausgeprägte Nachtsicht, aber nicht die allerbeste im gesamten Tierreich“, so Satchu. Katzen sind zwar gut darin, im Dunkeln zu sehen (und zu jagen), aber andere Raubtiere, zum Beispiel die Eule, sind wahre Experten.
„Das Auge einer Eule ist darauf ausgelegt, ihr in der Dunkelheit eine besonders starke Sehkraft zu verleihen. Eulen haben relativ zur Körpergröße fast die größten Augen im Tierreich“, so Satchu. „Außerdem können Eulen UV-Licht sehr gut wahrnehmen, selbst in der Dunkelheit. Daher können sie Urin oder Kot von Mäusen erkennen, um ihre nächste Mahlzeit zu finden.“
Katzen können sich im Dunkeln zwar durchaus behaupten, doch wenn eine Eule es auf dieselbe Beute abgesehen hat, fängt die Eule sie vermutlich zuerst.
Weitere Unterschiede zwischen dem Sehvermögen von Katzen und Menschen
Wie bereits erwähnt, haben Katzen relativ wenige Zapfen als Fotorezeptoren im Auge. Das beeinflusst nicht nur ihre Nachtsicht, sondern auch, wie Katzen Farben sehen. „Katzen sind nicht völlig farbenblind, aber sie sehen Farbtöne nicht so lebhaft wie wir“, beschreibt Satchu. 2013 erstellte ein Künstler namens Nickolay Lamm Darstellungen des Sehvermögens einer Katze im Vergleich zum Menschen. Die Ergebnisse sind faszinierend.
Auch im Entfernungssehen gibt es Unterschiede zwischen Menschen und Katzen. „Katzen sind kurzsichtig, daher können sie Dinge in der Nähe sehr gut sehen“, erklärt Satchu. „Menschen können hingehen Dinge in der Ferne viel klarer erkennen als Katzen.“
Dank der großflächigen Hornhaut verfügen Katzen über ein größeres Gesichtsfeld. „Katzen haben ein Gesichtsfeld von 200 Grad, wir Menschen nur 180 Grad“, so Satchu. Es ist so, als würden Katzen immer eine Panoramakamera mit sich führen.
Zusammengefasst können wir festhalten, dass Katzen im Dunkeln sehen können (zumindest viel besser als Menschen). Sie haben zwar nicht die beste Nachtsicht im gesamten Tierreich, aber definitiv eine der besten. Du brauchst also kein Nachtlicht für deine Katze einzuschalten. Dein Haustier findet sich auch in der Dunkelheit problemlos in deiner Wohnung zurecht.