Manchmal benehmen sich unsere Hunde auf eine Weise, die oberflächlich betrachtet für uns Menschen absolut rätselhaft ist. Schaut man jedoch genauer hin, macht das meiste Hundeverhalten durchaus Sinn.
Wenn du mit einem Hund zusammenlebst oder schon einmal länger als zwei Minuten in der Gegenwart eines Hundes verbracht hast, weißt du wahrscheinlich, dass Hunde gerne Gegenstände in ihrem Umfeld abschlecken. Dabei schlabbern sie die seltsamsten Dinge ab, etwa unsere Hosenbeine oder Gesichter. Auch die Gesichter anderer Hunde lecken sie mit großer Freude ab. Nur was treibt sie dazu?
Laut Tierärztin Dr. Karla Frazier ist Lecken bei Hunden entweder verhaltensbedingt oder es ist auf ein medizinisches Problem zurückzuführen. Wenn Hunde die Gesichter ihrer Artgenossen abschlabbern, fällt dies in die Kategorie „verhaltensbedingt“. Hunde tun dies aus verschiedenen Gründen.
Warum lecken Welpen ihre Artgenossen?
Wenn ein Welpe das Gesicht seiner Mutter ableckt, ist das normalerweise ein Signal, dass er gefüttert werden möchte. In freier Wildbahn lecken Welpen die Lippen ihrer Mutter, wenn diese gerade – den Bauch gut gefüllt – von der Jagd zurückgekehrt ist. Das Lecken signalisiert der Mutter, dass sie für ihren hungrigen Welpen etwas von der vorverdauten Nahrung wieder herauswürgen soll. Eklig, aber nützlich.
Domestizierte Welpen zeigen das gleiche Verhalten mit den gleichen Ergebnissen, nachdem sie auf feste Nahrung umgestellt wurden. Das Lecken ist in diesem Fall ein Zeichen, dass sich der Welpe unterordnet, indem er signalisiert: „Bitte kümmere dich um mich“.
Warum lecken erwachsene Hunde ihre Artgenossen?
Eine Version dieses Welpenverhaltens trägt manchmal bis ins Erwachsenenalter. Erwachsene Hunde schlecken aus mehreren Gründen das Gesicht anderer Hunde ab:
- Unterordnung
- Verspieltheit
- Zuneigung
Unterordnung
Ein erwachsener Hund leckt das Gesicht eines anderen Hundes, um diesem zu zeigen, dass er sich ihm unterordnet. Er sagt dabei im Wesentlichen: „Du hast das Sagen, und ich will dir nichts Böses.“
Wenn ein Hund auf einen Artgenossen trifft, den er besonders respektiert, wird er diesem also möglicherweise das Gesicht abschlabbern, um ihm seine Ehrerbietung zu zeigen. Dies ist vor allem dann als Unterordnung zu interpretieren, wenn der leckende Hund sich dem anderen von unterhalb dessen Kinn her nähert.
Wenn der „respektierte“ Hund sein Gegenüber danach ebenfalls leckt, zeigt er, dass alles in Ordnung ist und dass er die Unterwerfung des anderen akzeptiert.
In freier Wildbahn lecken untergeordnete Rudelmitglieder die dominanteren Rudelmitglieder, um ihnen ihre Ehrerbietung zu zeigen. Dieses Verhalten ist wichtig, um die Harmonie im Rudel aufrechtzuerhalten.
Verspieltheit
Dein Hund schlabbert das Gesicht eines anderen Hundes möglicherweise auch deshalb ab, um ihm zu signalisieren, dass er mit ihm spielen möchte. Hunde tun das sowohl bei Hunden, die sie zum ersten Mal treffen, als auch bei alten Bekannten. Wenn ein Hund spielen möchte, kann er das Gesicht des anderen lecken und dann die typische Pose zur Spielaufforderung einnehmen: den Hintern in die Luft und die Vorderbeine auf dem Boden. Diese Pose ist das universelle Signal, dass ein Hund spielen möchte. In Kombination mit einem kurzen Schlabberkuss ist dies Hündisch für „Lass uns spielen“.
Zuneigung und Bindungsaufbau
Manchmal lecken Hunde andere einfach nur ab, um ihnen ihre Zuneigung zu zeigen. Das tun sie sowohl bei Menschen als auch bei ihren eigenen Artgenossen.
Das Lecken hilft Hunden auch dabei, sich zu entspannen und eine Bindung zu anderen aufzubauen. Laut Hundetrainerin Victoria Stilwell werden beim Lecken Endorphine freigesetzt, die sich sowohl für den leckenden Hund als auch für den Empfänger angenehm anfühlen. Deshalb ist das Lecken zwischen Hunden ein hilfreiches Mittel zum Bindungsaufbau. Wilde Hunde können ihre Rudelkameraden ablecken, um die Verbindungen innerhalb der Gruppe zu stärken, was für ihr Überleben unerlässlich sind. Domestizierte Hunde müssen sich zum Überleben natürlich nicht in Rudeln zusammenschließen, doch der Instinkt bleibt bestehen.
Viele Säugetiere lecken und pflegen sich gegenseitig, um ihre Beziehung zu stärken. Roger Abrantes, Autor von Dog Language: An Encyclopedia of Canine Behavior (Die Sprache der Hunde: Eine Enzyklopädie des Hundeverhaltens) und The Evolution of Canine Social Behavior (Die Evolution des Sozialverhaltens bei Hunden) schreibt, dass Fellpflege eine „angenehme soziale Praxis“ ist, die beiden Hunden hilft, sich zu entspannen.
Fazit
Wenn dein Hund gerne die Gesichter anderer Hunde ableckt, dann brauchst du dir deswegen keine Sorgen zu machen. Uns mag dieses Verhalten zwar seltsam vorkommen, aber dein Hund tut das, um freundlich zu sein, seine Zuneigung zu zeigen oder sich anderen unterzuordnen. Dabei ist es egal, wieso er andere abschlabbert: Es ist nie etwas Schlechtes, sondern immer ein Zeichen, dass er anderen nichts Böses will. Außerdem ist es verdammt süß.